Aus Heiterkeit - eine Lebenskraft - 6. Kapitel: Bitte, recht freundlich!
Eine ältliche Frau ging, einem plötzlichen Impuls folgend, zum Fotografen, um sich fotografieren zu lassen.
Sie saß vor dem Apparat mit demselben finsteren, harten Gesicht, das sie bei den Kindern der Nachbarschaft von jeher zum Gegenstand der Furcht gemacht hatte. Und der Fotograf sagte, indem er seinen Kopf aus dem schwarzen Tuch herausstreckte:
„Bitte, etwas freundlicher.“
Sie versuchte es, aber der verdrossene schwere Blick blieb derselbe.
„Sie müssen freundlicher aussehen“, wiederholte der Fotograf mit ruhiger, aber fester Stimme. „Wenn Sie denken“, erwiderte die Frau scharf, „dass eine alte, einsame Frau heiter aussehen, und dass eine, die verdrießlich ist, ein freundliches Gesicht machen kann, bloß weil es ihr gesagt wird, so verstehen Sie nichts von der menschlichen Natur.
Es muss etwas von außen kommen, wenn das Gesicht heiter und die Augen hell werden sollen.“
„O nein, durchaus nicht!“ Es muss von innen heraus kommen! Versuchen Sie es noch einmal“, sagte der Fotograf gutmütig.
In seiner Art und Weise lag etwas Vertrauenerweckendes, und sie machte wirklich noch einmal einen Versuch, und diesmal mit besserem Erfolg.
„Das ist gut! Das ist schön! Sie sehen zwanzig Jahre jünger aus“, rief der Künstler, als er den hellen Schein sah, der das verwelkte Gesicht überstrahlte.
Die Frau ging mit einem sonderbaren Gefühl im Herzen nach Hause. Es war das erste Kompliment, das man ihr, seit ihr Mann nicht mehr lebte, gemacht hatte, und es ließ eine angenehme Empfindung in ihr zurück.
Als sie in ihre Wohnung kam, blickte sie in den Spiegel und sagte zu sich: „Es kann doch etwas daran sein. Aber ich will warten, bis das Bild fertig ist.“
Als das Bild dann kam, war es ihr wie eine Offenbarung. Das Gesicht schien von vergangenem Jugendfeuer durchleuchtet. Sie starrte lange und ernsthaft darauf hin, dann sagte eine klare und feste Stimme in ihr: „Was man einmal tun kann, kann man wieder tun.“ Und indem sie sich dem kleinen Spiegel über ihrem Pult näherte, sagte sie: „Werde heiter, Katharine“, und das alte Licht kam in ihre Augen.
„Freundlicher!“ kommandierte sie; und ein ruhiges, strahlendes Lächeln verbreitete sich über ihr Gesicht.
Die Nachbarn bemerkten bald die Veränderung, die in ihrem Aussehen vor sich gegangen war.
„Nein, Frau A., Sie werden wieder jung. Wie machen Sie das nur?“
„Ach, das kommt beinah ganz von innen heraus. Man braucht sich nur innerlich wohl und heiter zu fühlen.“
Das Schicksal trog mich sehr; da sah ich’s an und lachte,
dass keiner ahnt, wie bitter war sein Trank.
Da kam die Freude, fragte, was ich machte,
blieb bei mir stehn: nicht länger war ich krank.
Jede Erregung macht den Menschen entweder schön oder hässlich. Sorge, Ärger, Unzufriedenheit und böse Laune, jede unehrliche Handlung, jede Falschheit, jedes Gefühl von Neid, Eifersucht oder Furcht – diese alle greifen das Nervensystem an und wirken wie Gift auf den Körper.
Um äußerlich schön zu sein, muss man es innerlich sein.
500 Dollar für einen guten Gedanken.
In einer Schule wurde einmal ein Preis ausgesetzt für den besten Gedanken.
Der Preisgekrönte war:
„Die Menschen murren, dass Gott den Rosen Dornen gab. Sollten wir nicht lieber Gott danken, dass er an den Dornen Rosen wachsen ließ?“
Man nehme die Welt wie sie ist, die Dornen inbegriffen, und erwarte nicht zu viel von ihr.
Oliver Wendell Holmes erzählte in vorgerückten Jahren, er sei seiner Kinderfrau zu großem Dank verpflichtet. Sie lehrte ihm eifrig, unangenehme Zufälle gar nicht zu beachten. Wenn er stolperte, oder sein Knie aufschlug, oder sich an die Nase stieß, ließ die Kinderfrau ihm niemals Zeit, sich dem augenblicklichen Schmerz hinzugeben, sondern zog seine Aufmerksamkeit durch irgendetwas Hübsches ab, eine reizende Geschichte oder eine fröhliche Erinnerung. Er verdankte dieser Frau den Sonnenschein eines langen Lebens, denn ihre Lektion war eine solche, die sich in der Kindheit leicht lernt, aber schwer im reiferen Leben und niemals im Alter.
„Als ich ein Knabe war“, sagte ein anderer Schriftsteller, „pflegte man mich über einen Schnitt in den Finger damit zu trösten, dass es besser sei, als wenn ich meinen Arm gebrochen hätte, und wenn mir ein Stäubchen ins Auge gekommen war, erwartete man von mir, ich werde das Unbehagen leichter überwinden, weil mein Vetter durch einen Unfall sein Auge eingebüßt hatte.“
Wir sollten dem Unglück ins Auge sehen wie ein nordischer Junge dem Winter.
Die Schule liegt eine Stunde weit über den Bergen, aber er bleibt nicht am Ofen sitzen. Er wirft einen Büchersack über die Schulter und geht dem Sturm entgegen. Wenn er den höchsten Rücken des Berges erreicht hat, wo der Schnee in großen Wehen liegt und der Nordwind ihm scharf und beißend ins Gesicht bläst – schreckt er etwa zurück und kauert am Zaun nieder, oder läuft er ins nächste Haus, um sich aufzuwärmen? Nein, er knöpft seine Jacke fester zu, trotzt kühn dem Sturmeswehen und stößt den Schnee mit seinen Füßen fort. Und so, aufrecht und furchtlos, mit starkem Herzen und geröteten Wangen, geht er vorwärts bis zu seinem Platz in der Schule.
Kinder sollten gewöhnt werden, überall Vergnügen zu finden und alles von der besten Seite anzusehen.
Dem einen fällt dies leicht, dem andern schwer. Aber es kann gelehrt und gelernt werden – ganz wie Musik oder Malerei. Wie wäre es mit Lehrstunden oder mit einer Schule, um Männer und Frauen dazu zu erziehen, heiteren Mutes allem sie befallenden Ungemach entgegenzutreten?
„Freude heißt die starke Feder
in der ewigen Natur.
Freude, Freude treibt die Räder
in der großen Weltenuhr.“
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