Aus Selbstsucht und Selbstkontrolle - 14. Kapitel: Beinahe!
Mancher gibt sein Unternehmen gerade in dem Augenblick auf, wo der Erfolg eingetreten wäre. Auf der Rennbahn des Lebens sieht man auf jeder Strecke Leute, die das Rennen aufgegeben haben, wo doch das Ziel beinahe erreicht oder der Vorsprung vor den anderen beinahe sicher war.
Welche Überraschung wäre es für viele, wenn der Schleier von dem unsichtbaren Ziel weggezogen würde und sie es nun in allernächster Nähe erblickten, nachdem sie gerade den Versuch aufgegeben hatten, es zu erreichen.
Die große Stadt, die Erfolg heißt, wird von einem Heer von ungezählten Tausenden belagert, die dicht vor den Mauern und Toren stehen und von denen doch keiner hineinkommt. Wenn du sie fragst, so werden sie dir antworten, sie hätten niemals die richtige günstige Gelegenheit gehabt, ihre Ausbildung sei vernachlässigt worden, niemand habe sich ihrer angenommen. Aber viele von ihnen lebten im Schatten der Abendschulen und öffentlichen Büchereien; sie hatten jeden Abend und noch manche Stunde des Tages frei und benutzten diese herrlichen Hilfsmittel nicht, während blutarme Jungen wie Lincoln in einem Blockhaus bei dem Licht eines Kienspans lasen und lernten und mit diesen mühselig erworbenen Kenntnissen all ihren tausendmal mehr vom Glück begünstigten Mitbewerbern um Erfolg und Größe vorauskamen.
Wohl für jeden, der etwas Rechtes erreicht hat, gab es eine Zeit, in der er glaubte, er werde es zu nichts bringen. Aber er hielt aus, wenn es auch noch so dunkel um ihn war und die Hindernisse sich noch so hoch auftürmten.
Die glänzendste Begabung kann nicht dasselbe erreichen, wie standhafte Ausdauer und mutiges Weiterarbeiten. Auf tausend glänzende Begabte kommt nur ein einziger, der diese Ausdauer besitzt – und wenn die andern mutlos die Sache aufgegeben haben, kommt er allein ans Ziel.
Es gibt verschiedene solche begabte Menschen im öffentlichen Leben, die „beinahe“ etwas Großes leisten, die die größten Erwartungen erregen, aber niemals erfüllen. Sie sind wie Voranzeigen von Werken, die niemals erscheinen.
Ich bin fest überzeugt, dass weitaus die meisten Misserfolge ihren Grund nur in Mangel an Ausdauer haben.
So mancher würde gern jeden Preis bezahlen, um seinen Wunsch zu erreichen: nur angestrengte harte Arbeit – der Preis ist ihm zu teuer. Er verbraucht eine Menge Kraft zum Plänemachen, zum Ersinnen von arbeitssparenden Verfahren: aber lange und langweilige Arbeit und das Opfer seiner Bequemlichkeit und seines Vergnügens, das ist ihm zu viel.
Manche Menschen dagegen haben in hohem Grad die Fähigkeit, eine Sache durchzusetzen und mit ihrer Aufgabe von Kraft, von schöpferischer Begabung und von der Fähigkeit, für andere Leiter und Führer zu sein. Etwas anfangen kann wohl jeder, aber alles richtig zu Ende bringen, was man angefangen hat, das vermögen nur wenige, und doch zählt nur der, der seine Sache zu Ende bringt.
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